Gruene Kreistag Unna

Die Idealisierung der Massentierhaltung in der Ideologie der Landwirtschaft

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Leserbrief an den Hellweger Anzeiger

Lieber Hellweger Anzeiger, sehr geehrter Herr Heine,


vielen herzlichen Dank für Ihren Artikel „Bis zum Idealgewicht von 120 Kilo“ auf der Kreisseite in der letzten Samstagsausgabe.

Ganz besonders danken möchte ich für die schönen Fotos! Ich gehe davon aus, es handelt sich um Originalaufnahmen Ihres Fotografen.
Wird doch durch die Bilder die ganze Problematik der industriellen Tierhaltung deutlich:
Das auf der Nahaufnahme portraitierte Schwein steht eng gedrängt zwischen seinen Artgenossen, ein kleiner Stummelschwanz reckt sich dem traurig blickenden Tier entgegen. Gelb verkrustet blickt es in die Kamera.
Die Bildsprache dieses einen Bildes erläutert auf einen Blick die Argumente der Tierschützer: Der gesetzlich erlaubte Mindest-Raum ist für die Schweine einfach zu gering – Schweine sind hochintelligente und auf Sauberkeit bedachte Wesen. Werden sie artgerecht gehalten, teilen sie sich ihren Lebensbereich in drei Teile ein: einen Ruhe-oder Liegebereich, einen Fressbereich und einen Aktivbereich. Letztgenannter natürlich am besten im Freien.
Die Schweine, wie sie heute in der Massentierhaltung gehalten werden, haben diese Möglichkeit nicht. Einem über 110 kg-Schwein wird 1 m2 Bodenfläche Lebensraum per Gesetz zugebilligt. Sie führen ein von Stress geprägtes, dicht gedrängt und lautes, schmutziges Leben auf einem „Spaltenboden“, durch den sie ihr ganzes Leben lang den Güllegestank einatmen, den wir Menschen glücklicherweise nur an wenigen Wochenenden im Jahr riechen dürfen. Sie sehen nur einmal in ihrem Leben das Tageslicht: beim Verladen auf den LKW zum Transport in den Schlachthof.

Damit sie sich bei dieser Haltung nicht gegenseitig totbeißen, werden ihnen die Schwänze schon früh im Ferkelalter abgetrennt.
 
All das ist gesetzlich erlaubt und der derzeitige Stellvertreter aller Landwirte in der Region, Hans-Heinrich Wortmann hat Recht, wenn er eine ideologische Diskussion kritisiert. Die derzeitige Haltungsform ist das Ergebnis eines Prozesses in der Landwirtschaft, in dem die Tiere als Produkte und nicht als Lebewesen gesehen werden. Diese Landwirtschaft des Herrn Wortmann erhebt einen hohen Anspruch auf Wahrheit und ist für abweichende Lehrmeinungen kaum noch offen.

Dem Verbraucher allein die Schuld in die Schuhe für dieses Elend zu schieben, ist dabei auch eine gern genutzte Rechtfertigung für die industrielle Tierhaltung. Dass deutsche Bauern über den Bedarf des deutschen Marktes hinaus produzieren und unsere „Produkte“ gern den Weg nach China antreten, wird nicht so häufig erwähnt. Dass ein Überangebot einer Ware den Preis niedrig hält, ist dabei scheinbar auch nicht so wichtig in der Welt der Massentierhaltung.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Stephanie Schmidt