Gruene Kreistag Unna

Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge im Kreis Unna - Parteiübergreifende Initiative im Kreistag für ein sogenanntes „Bremer Modell“

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Pressemitteilung der Kreistagsfraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN

Als Kreistagfraktion in Unna ergriffen wir Ende 2014 die Initiative und formulierten einen von allen Fraktionen im Kreistag getragenen Antrag, in dem es um die Umsetzung des „Bremer Modells“ im Kreis Unna geht:

Antragstext:

  1. Der Landrat wird beauftragt, sich im Rahmen der Bürgermeisterkonferenz für eine kreisweite einheitliche Lösung zur Verbesserung der medizinischen Regelversorgung für Flüchtlinge und AsylbewerberInnen einzusetzen. In Anlehnung an das „Bremer Modell“ soll möglichst die Krankenbehandlung der o.g. auf eine gesetzliche Krankenversicherung übertragen werden. Hierbei erhalten die Leistungsberechtigten nach §§ 4 und 6 AsylbLG eine Krankenversicherten-Chipkarte der gesetzlichen Krankenversicherung.
  2. Der Landrat möge der Bürgermeisterkonferenz anbieten, einheitlich für alle kreisangehörigen Kommunen, die Verhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen um eine entsprechende Vereinbarung auf Grundlage de § 264 Absatz 1 SGB V zu treffen.
  3. Die Verwaltung wird darüber hinaus gebeten, gemeinsam mit den entsprechenden Akteuren aus Gesundheitshilfe und Flüchtlingsarbeit die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen, Asylsuchenden und Menschen ohne Papiere in Anlehnung an das  „Bremer Modell“ für den Kreis Unna weiter zu entwickeln und ein entsprechendes Gesundheitsprogramm zu erarbeiten.
  4. Die Kreis-Gesundheitskonferenz wird gebeten, über die bislang vereinbarten Themenschwerpunkte hinaus das Thema gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden im Kreis Unna mit zu bearbeiten und hierbei auch die hieran beteiligten Akteure aus dem Gesundheitswesen und den Flüchtlingsrat mit einzubeziehen.


Aus der Bürgermeisterkonferenz und aus den Reihen der Sozialdezernenten der kreisangehörigen Kommunen vermeldet der Landrat dann Ablehnung über die Einführung einer Gesundheitskarte.
Laut einem Presseartikel rechnet der Unnaer Sozialdezernent sogar mit Mehrkosten in Höhe von 280.000,-€.
Am 10.03.2015 entschied sich der Kreistag Unna nun abschließend dafür, die unter den Ziffern 1 – 3 genannten Aufträge als erledigt zu betrachten. Das Thema in seiner Tiefe und Konsequenz wird die Grünen allerdings weiter beschäftigen.
Dazu der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Herbert Goldmann. „Natürlich wissen wir, dass es in der Hoheit der Kommunen liegt, Entscheidungen über die Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge zu treffen. Das respektieren wir voll und ganz. Aber als Idee der interkommunalen Zusammenarbeit hielten wir es für alle Beteiligten sinnvoll, mögliche Verhandlungen für alle 10 Kommunen aus einer Hand zu führen.“
Den  Vorteil sehen wir u.a. in der vereinfachenden Verhandlung mit der Krankenkasse aus einer Hand.

Allerdings stellt sich für Ilka Brehmer, sozialpolitische Sprecherin der Grünen  die Frage, aufgrund welcher Rechenmodelle eine derart hohe Mehrbelastung festgestellt wurde:  „Bisher müssen die Asylsuchenden zuerst in ihrer jeweiligen Kommune das Sozialamt aufsuchen. Hier wird der Antrag auf den Arztbesuch von einer Mitarbeiterin, einem Mitarbeiter bearbeitet. Anschließend gehen die Menschen in die Arztpraxis. Eine Gesundheitskarte für Asylsuchende würde bedeuten, die Menschen können direkt in die Arztpraxis gehen und dort Hilfe bekommen. Die bisher verursachten Zusatzkosten der Kommunen für den vorherigen Verwaltungsaufwand entfallen dann.
Wir sind der festen Überzeugung, dass die Aufnahme der Asylsuchenden in die gesetzliche Krankenversicherung gut für die Menschen und gut für die Kommune ist. Dabei beschränken sich die Vorteile durchaus nicht nur auf Ballungsgebiete, sondern kommen auch im ländlichen Raum – wo für die Geflüchteten die langen Wege zum Sozialamt, wie die Wege zum Arzt schon eine Belastung darstellen – zum Tragen.“

Zum Punkt 4. das Themenspektrum der Gesundheitskonferenz um die „Gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen“ zu erweitern, entschied sich der Kreistag zustimmend. Damit wird das aktuelle Thema auch ohne die sofortige Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge in den nächsten Jahren auf der Agenda der Gesundheitspolitik des Kreises seinen wichtigen Platz bekommen.



Die Gesundheiterversorgung von Flüchtlingen im System des Asylbewerberleistungsgesetzes

Die Gesundheitsversorgung von nach Deutschland Geflüchteten ist im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), einem Bundesgesetz, das gerade geändert wurde, geregelt. Dort geben die §§ 4 und 6 die den AsylbLG-Leistungsberechtigten zustehenden Gesundheitsleistungen vor.
Die Behandlung wird in diesen Paragrafen auf akute Erkrankungen und Schmerzzustände, Gesundheitsvorsorge für werdende Mütter und darüber hinaus auf sonstige zur Gesundheitsvorsorge „unerlässliche“ Leistungen beschränkt. Außerdem stehen sie unter dem Genehmigungsvorbehalt der zuständigen Behörde, in der Regel des Sozialamtes.

In der Praxis bedeutet dies, dass viel vom guten Willen der Verwaltung abhängt. Während manche Kommune den Geflüchteten jeweils pro Quartal einen Blanko-Behandlungsschein zukommen lässt, müssen in anderen Kommunen Asylsuchende auch bei offensichtlichen gesundheitlichen Beschwerden bangen, ob sie die Genehmigung zum Arztbesuch erhalten. Probleme gibt es häufiger auch bei der Genehmigung von Sehhilfen und anderem Sanitätsbedarf und bei zahnärztlichen Behandlungen (Zahnersatz).

Goldmann dazu: „Wir GRÜNE setzen uns weiter dafür ein, dass alle Asylsuchenden in die gesetzliche Krankenkasse aufgenommen werden, eine Chip-Karte erhalten und so wie jeder andere in Deutschland mit gesundheitlichen Problemen eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen kann, wenn er oder sie es für nötig hält. Das würde nicht nur das selbstbestimmte Leben der Geflüchteten, sowie auch ihre Integration stärken, sondern auch den unnötigen und mit Kosten verbundenen Verwaltungsaufwand bei den Kommunen mindern.“

Das „Bremer Modell“

Im Stadtstaat Bremen konnte bereits vor 10 Jahren ein Vertrag mit der AOK Bremen/Bremerhaven geschlossen werden, der dafür sorgt, dass Geflüchtete eine Chip-Karte erhalten mit der sie ärztliche Behandlungen in Anspruch nehmen können so wie sie es für notwendig halten.
In Bremen wurde dabei nicht nur die Selbstbestimmung der Geflüchteten gestärkt, sondern es wurde auch der nach §§ 4 und 6 AsylbLG eingeschränkte Leistungskatalog erweitert auf nahezu alle ärztlichen Behandlungen. Lediglich Zahnersatz und psychotherapeutische Behandlungen stehen noch unter einem Prüf- und Genehmigungsvorbehalt. Die AOK rechnet die erbrachten Leistungen mit der Kommune ab und erhält noch eine Verwaltungspauschale pro Geflüchteten.

Die Absicherung der Krankenbehandlung durch eine gesetzliche Krankenkasse würde die Ausgangsbedingungen der im Kreis Unna lebenden Asylsuchenden und Flüchtlinge und auch die Antragsbearbeitung in den kreisangehörigen Kommunen deutlich verbessern.
Für die jeweilige Sozialverwaltung entfällt die Prüfung der Bewilligungsfähigkeit der beantragten Krankenbehandlung. Ferner erfolgt die spätere Abrechnung über die Krankenkassen, mit denen eine Vereinbarung getroffen wurde. Die Erfahrungen aus Bremen zeigen, dass dieses Verfahren auch eine Entlastung der Verwaltung erreicht.
„Deshalb gehen wir davon aus, dass die Umsetzung des „Bremer Modells“ in allen Städten im Kreis Unna kostenneutral erfolgen kann.“, so Uli Bangert.

Selbst die rot-grüne Landesregierung NRW sieht die zwingende Notwendigkeit einer
bundesgesetzlichen Regelung, die Krankenkassen verpflichtet, den Zugang zur Krankenbehandlung für Asylsuchende vor Ablauf der 15-Monatsfrist auf der Grundlage des § 2648GB V zu ermöglichen, wenn die jeweilige Gemeinde es wünscht. Damit eine möglichst einheitliche Umsetzung realisierbar ist, hält die Landesregierung darüber hinaus eine Rahmenvereinbarung des Landes für notwendig.
Die Landesregierung wird sich darum in den weiteren Gesprächen für eine
gesetzliche Regelung einsetzen, die diese Voraussetzungen erfüllt.

Sie  hat  zudem ihre finanzielle Beteiligung zur Unterbringung sowie soziale und gesundheitliche Versorgung für Flüchtlinge ausgeweitet:
145 Millionen Euro stellen das Land Nordrhein-Westfalen und der Bund in diesem Jahr für die hier ankommenden Flüchtlinge zur Verfügung. 108 Millionen Euro davon gehen direkt an die Kommunen.
Je zur Hälfte finanzieren Bund und Länder ein Programm zur Entlastung der aufnehmenden Kommunen. Im Umfang der landeseitigen 54 Millionen Euro hat das Land bereits angekündigt, Hilfestellungen für die Kommunen zu leisten. So sollen neben einer dauerhaften Aufstockung des Flüchtlings-Aufnahmegesetzes (FlüAG) Mittel für zusätzliche Plätze in der Offenen Ganztagsbetreuung, weiteres Personal in den Kindertageseinrichtungen und einen Härtefallfonds für alle Gesundheitskosten über 50.000 Euro zur Verfügung gestellt werden.
Für die psychologische und soziale Betreuung der Flüchtlinge sind die Mittel auf       7 Mio. € erhöht worden. Für Schwerkranke, deren medizinische Versorgung die Kommunen derzeit allein tragen, ist ein Sondertopf geschaffen. Hierzu wird ein Härtefallfonds in Höhe von 3 Mio. € eingerichtet, mit dem Kosten für medizinische Behandlungen und Pflege von Flüchtlingen übernommen werden, die über 70.000,- € liegen.
Finanzielle Unterstützung durch das Land zur Unterbringung, sowie soziale und gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge:
(Auflistung nach Städten und Gemeinden im Kreis Unna)

Bergkamen: 246.418,- €
Bönen: 97.820,- €
Fröndenberg: 116.094 €
Holzwickede: 87.354,- €
Kamen: 220.903,- €
Lünen: 427.889,-€
Schwerte: 239.805,- €
Selm: 140.782,- €
Unna: 310.213,- €
Werne: 164.052,- €

Bremer Modell