Gruene Kreistag Unna

Haushaltsrede zum Kreishaushalt 2023, 13.12.2022

|   Startseite Anträge Kreistagsfraktion

Herbert Goldmannn

Es gilt das gesprochene Wort

 

 

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren

in einer von großen Krisen und damit besonderen Herausforderungen geprägten Zeit fällt es zunehmend schwer, sich allein auf die kommunale Ebene zu konzentrieren und zu beschränken.

Explodierende Energiepreise, massiv gestiegene Lebenshaltungskosten mit der Folge realer Einkommensverluste und daraus resultierender Zukunftsängste, ein Ukrainekonflikt, deren tägliche Bilder kaum zu ertragen sind und eine Coronapandemie im dritten Jahr, bei der ein Ende nicht absehbar ist.
Allein durch das Fehlen bezahlbaren Wohnraums drohen gesellschaftliche Verwerfungen.

Und doch ist es heute primär unsere Aufgabe sich mit dem Haushaltsentwurf des Jahres 2023 zu beschäftigen; einem Haushaltsentwurf, der bereits bei der Darstellung der Haushaltseckdaten Ende August die schlimmsten Befürchtungen noch überstiegen hat.

Die kreisangehörigen Kommunen, die ja nun im Gegensatz zum Kreis nicht umlagefinanziert sind, stehen ohnmächtig vor den Scherben des langjährigen, leider erfolglosen Versuches einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung.

Die Rekordschulden des Landes liegen mittlerweile bei beachtlichen 160 Mrd.€

Ohne Lösung, sprich Übernahme der Altschulden durch Bund und Land und wenigstens einer Teilübernahme der Sozialkosten der Landschaftsverbände wird sich an dieser Situation nichts ändern.
Da hilft auch der heutige – wenn auch richtige – Antrag nicht; nach den drei Entlastungspaketen fehlt schlichtweg das Geld. Und, das ist letztlich mitentscheidend - leider hält die CDU NRW immer noch an ihren verfassungsrechtlichen Bedenken fest.

Allein die Liquiditätskredite plus „Corona-Isolierungs-Belastungen“ im Kreis liegen bei rd. 600 Mio.

Die Aussage des Kreiskämmerers Mike Janke, dass man gegen diese Entwicklung, gegen diese Zahlen vom August mit 41,7 Millionen Mehrbelastung für 2023 nicht ansparen kann, fasst die aktuelle Situation in nur einem einzigen Satz treffend zusammen.

Aber, genau das haben Kämmerer und Finanzverwaltung spätestens seit diesem Moment gemacht;
mit großer Kraftanstrengung im Rahmen des Möglichen.

Dafür möchte ich mich, wohl nicht nur im Namen meiner Fraktion insbesondere bei dem KD und
Herrn Adam und den Mitarbeitern der Finanzverwaltung bedanken.

Bei allen Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung wird es aber dann problematisch, wenn substantielle Gestaltungsansprüche des Kreises aufgegeben werden und selbst mehrheitlich im KT beschlossenen Entscheidungen aufgegeben oder verzögert werden.

Ich komme gleich noch darauf zurück.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Zu den Haushaltsberatungen gehört traditionell auch ein Rückblick auf das lfd. Jahr und – sofern möglich – ein hoffnungsvoller Ausblick in die Zukunft.

Die vom Landrat, dem Kreisdirektor und den Fachdezernenten geführte Verwaltung hat diese in 2022
trotz weiter ansteigender Coronazahlen und sonstigen Ereignissen in ruhigem Fahrwasser gehalten;
frei von Skandalen und Irritationen.

Falls Sie es nicht mitbekommen haben sollen, diese Aussage gilt nicht für die „GRÜNEN im Kreis“;
das war – und ist in Teilen immer noch – ein unwürdiges Schauspiel.

Der Schaden daraus beschränkt sich leider nicht nur auf die GRÜNEN; insofern haben wir heute durch die Weigerung der UWG Selm und die Linke eine weitere Chance verpasst ein Zeichen zu setzen.

Aber liebe Kolleginnen und Kollegen; erlauben Sie mir einige persönliche Einschätzungen zu vs Themen:

Ein Thema ist mir besonders wichtig:

Die organisatorische und strategisch neue Ausrichtung der Ausländerbehörde – auch durch den Willen des Landrates - ist zwingend geboten und sollte Klarheit in der Frage schaffen, welche Perspektiven haben langfristig Geduldete zukünftig im Kreis Unna; hier ist eine aktive personifizierte Begleitung der Betroffenen unverzichtbar; davon können Alle profitieren.

Kommunikation:

Die Kommunikation aus dem Hause heraus in die Politik war leider – wie bereits in 2021 – nicht überzeugend. Bei dem Desaster um eine Pflegeeinrichtung in Bönen bzw. Lünen, Irritationen beim Übergang des Rettungsdienstes, Informationen aus dem laufenden Prozess zu den Tierschutzskandalen – ziemliche Funkstille durch das zuständige Dezernat.

Diese Rolle, die Politik zeitnah und umfassend auch zu guten Ideen des LR, und da gab es ja etliche wie dem Glasfaserausbau im Kreis Unna, der Einrichtung eines Runden Tisches zur Energiekrise zu informieren haben fast immer zuerst die Lokalredaktionen, allen voran der Hellweger Anzeiger übernommen.

Ohne Information fehlt ein wesentlicher Unterstützungsfaktor seitens der Politik.
Das kann und muss besser werden.

Natürlich wurden – liebe Kolleginnen und Kollegen - viele positive Dinge in 2022 umgesetzt;
herausragend die Wiedereröffnung von Schloss Cappenberg; die Fertigstellung eines weiteren Teilbereiches auf Schloss Opherdicke am vergangenen Freitag bis zu „kleineren“ Entscheidungen wie der Einführung der Bildungs- und Teilhabekarte, die Rettung der Migrationsberatung, der Erhalt des Kompetenzzentrums und, und, und; all das gerät leider oft zu schnell im Tagesgeschäft in Vergessenheit.

Anderes ist aus der öffentlichen Diskussion verschwunden; von einer Energiegesellschaft spricht keiner mehr; vielleicht ob der Energiekrise eine verpasste Chance.

Die Projektdynamik des 5-Punkte-Standortprogrammes scheint etwas ins Stocken geraten zu sein;
ob sich die Kreisbeteiligung in der Wasserstoffallianz mit den Städten Hamm und Dortmund zu einem Erfolgsmodell entwickeln wird, bleibt abzuwarten; eine personelle Lösung an der Spitze steht jedenfalls noch aus.

Nach gut drei Jahren – mit zum Schluss konstruktiver Begleitung durch einen fraktionsübergreifenden Arbeitskreis seitens der Politik – wurde im Juni d.J. das integrative Klimaschutzprogramm mit über
 40 qualitativen Maßnahmen verabschiedet.

Durchaus Zeichen eins wachsenden Problembewusstseins.

Aber - die im Vorgriff dafür bereitgestellten zwei Millionen Euro bis 2025 wurden in diesem Jahr bislang kaum genutzt; zu tun gibt es doch wahrlich genug um die Klimaschutzziele – soweit wir dies zuständigkeitshalber können - einzuhalten; hierfür gibt es gefühlt sogar endlose Fördermittel.

Die Personalausstattung zur Umsetzung reicht nach Ansicht meiner Fraktion vielleicht nicht aus.

Nicht nur der vom Landrat beim NWL abgeworbene Mobilitätsmanager hat desillusioniert und frustriert seine Konsequenzen gezogen und geht zurück; die Gestaltung der Verkehrswende auf der Grundlage eines Mobilitätskonzeptes incl. eines Nahverkehrsplanes steht in den Sternen; jetzt soll es ein Beirat richten. Frage ist nur auf welcher Basis, wenn der Wille – und der Mobilitätsmanager - fehlt?

Ich sage es Ihnen an dieser Stelle ganz klar; hoffentlich begreifen wir - Verwaltung und Politik -
endlich die Dimension der Herausforderungen zum Klimaschutz.

Die Zustimmung zum Haushalt in den kommenden Jahren wird für meine Fraktion auch von der Beantwortung dieser Frage abhängig sein.

Lassen Sie mich fortfahren:

Ob der Knoten zur Errichtung eines Besucherzentrums auf der Ökostation wirklich durchgeschlagen werden kann, ist offen.

Nun soll es ein Generalunternehmer richten um einen Kostenrahmen einzuhalten; aufgrund auch von handwerklichen Fehlern wurde bereits viel zu viel Zeit   vertan. Die Option des Scheiterns ist nicht geringer geworden.

Die Kreisgesellschaften haben – soweit erkennbar – einen guten Job gemacht.

Herausragend bei der GWA die beiden Leuchtturmprojekte „Sortieranlage auf dem Lippe-Werk“
sowie der Solarpark in Fröndenberg; allein die Wirtschaftszahlen der Gesellschaft sind beeindruckend.

Dass die Wirtschaftsförderungsgesellschaft beim 5-Punkte-Programm und bei den zukünftig überschaubar zur Verfügung stehenden Flächen vor einer besonderen Herausforderung steht und das Geschäftsmodell in Ansätzen neu „justiert“ werden muss, ist offensichtlich, aber zu schaffen, wenn Kreis und Kommunen mitmachen.

Die UKBS macht nicht nur durch einige herausragende Modellprojekte und guter Pressearbeit auf sich aufmerksam. Wenn sie sich auch zukünftig auf ihre besonderen Herausforderungen konzentrieren darf und die Preise nicht zu viele Planungen durchkreuzen, sollten weitere energetische Instandhaltungs- und
neue Projektmaßnahmen realisiert werden können; der Antrag dazu heute hilft nicht wirklich;
an fehlenden Finanzmitteln würde kein Projekt scheitern.

Die prognostizierten Zahlen der VKU mit minus 14,1 Millionen erschrecken; es wird jedoch häufig vergessen liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Leistungen dahinterstehen und was wir alles erreicht haben. Die Schnellbuslinien sind nur ein Beispiel.

Die lauter werdenden Rufe allein nach Kostenreduzierungen sind dabei wenig zielführend.

Die Ermittlung von Bedarfen und daraus abzuleitenden Zielen müssen die Basis für eine erfolgreiche Verkehrswende abbilden; ob eine solche noch gewollt ist, erscheint immer mehr zweifelhaft, aber hier ist der Mut von uns allen gefordert soll die Verkehrswende gelingen.

Mit diesem Ziel ist auch der LR 2020 angetreten.

Apropos Kreisgesellschaften – der Vorschlag, den Konzern Kreis Unna neu aufzustellen und das Meinungsbild der Mitglieder des Kreistages in den Gremien „zu bündeln“ ist aus Sicht wohl nicht nur der GRÜNEN fast gescheitert; auch wenn es nur wenige offen aussprechen.

Noch zu viele - auch in den Gremienvertretungen - sind von diesem Konstrukt offensichtlich noch nicht überzeugt; weder Verwaltung noch Gesellschaften sprechen immer eine gemeinsame Sprache;
die Notwendigkeit vertrauensbildender Maßnahmen hat deutlich zugenommen.

Zurück zum Haushalt:

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen –
die Anträge heute belegen eine hohe Disziplin der Kreispolitik; Chapeau.

Einem solchen Haushalt mit der Belastung für die kreisangehörigen Kommunen zuzustimmen fällt nicht leicht; der SPD-Kreistagsfraktion nicht, die muss ja.

Vielleicht ein Rat an die SPD-geführte Verwaltungsspitze – entweder nutze ich das Angebot des Landes zur Isolierung von kriegsbedingten Schäden zur Haushaltskonsolidierung oder ich verzichte unter der Wertung dieses Angebotes als Akt von Bilanzfälschung, die mit ordentlicher Buchführung nichts mehr zu tun hat, dann konsequenter Weise darauf; beides gleichzeitig ist  wenig überzeugend.

Zusammengefasst - in einer solch prekären finanziellen Situation sich einen schlanken Fuß zu machen, passt einfach nicht; also wird meine Fraktion dem Haushaltsplan 2023 mehrheitlich zustimmen.

Wir werden uns aber genau anschauen, wie das Jahr 2023 - hoffentlich gemeinsam - geschultert wird.

Dass hierbei die Schwerpunktthemen Soziales bei einer fast 20prozenteigen Armutsquote im Kreis, einer steigenden Anzahl von Schulabgängern ohne Abschluss, der Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund aber auch die Fortführung und Umsetzung ökologisch und klimapolitischer Prozesse eine entscheidende Rolle spielen werden, überrascht wohl nicht.

Ich komme zum Schluss:

Und wie immer an dieser Stelle ist es Zeit Danke zu sagen nicht nur an die Finanzverwaltung für die konstruktive Aufbereitung der Zahlen und Fakten und Begleitung über das ganze Jahr, sondern an alle Verwaltungseinheiten sowie den GF und Mitarbeiterinnen der Kreisgesellschaften auch für die vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Mögen einige entspannende und glückliche Weihnachtstage vor Ihnen liegen und dies gilt – sehen sie es mir bitte an dieser Stelle nach – insbesondere auch für die Frauen und Kinder – eigentlich für alle Menschen - in Afghanistan, dem Jemen, im Iran, der Ukraine und allen Krisengebieten in dieser Zeit.

Und vielleicht – wenn der Krieg hoffentlich bald zu Ende sein sollte – denken wir mal darüber nach, ob eine weitere Städtepartnerschaft mit einem Kreis in der Ukraine als gemeinsames Aufbauprojekt nicht ein gutes Zeichen von uns allen sein könnte.

Danke, dass Sie mir so aufmerksam zugehört haben.

 

Haushaltsrede zum Kreishaushalt 2023, 13.12.2022