Anträge Kreistagsfraktion
Aktionsplan „Inklusives Gemeinwesen“

Die Beauftragung der Verwaltung mögen der Kreisausschuss am 27.09. sowie der Kreistag im Kreis Unna auf seiner Sitzung am 28.09.2010 beschließen:
1. Die Verwaltung wird beauftragt, unter Einbeziehung aller relevanten Dezernate und Ämter einen Aktionsplan „Inklusives Gemeinwesen“ für die Realisierung von Inklusion im Kreis Unna unter Berücksichtigung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Menschen mit besonderen Bedürfnissen und Unterstützungsbedarf) zu erstellen.
2. Der Aktionsplan soll sowohl den Status Quo des Kreises Unna auf dem Weg zu einem inklusiven Gemeinwesen aufzeigen als auch konkrete, nachprüfbare Ziele und Vorschläge zu geeigneten Maßnahmen der Verwaltung für die Realisierung eines inklusiven Gemeinwesens beinhalten. In den Handlungsempfehlungen ist insbesondere darzulegen, durch welche strukturellen und sonstigen Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass zukünftig die Zielsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention grundsätzlich bei den Planungen aller Fachbereiche angemessen berücksichtigt werden.
3. In dem Aktionsplan des Kreises Unna sind fachbereichsübergreifend alle kommunalen Arbeitsfelder zu berücksichtigen, in denen sich ein Handlungsbedarf ergibt. Dem Ziel der Inklusion entsprechend wird der Aktionsplan orientiert an grundlegenden Lebensbereichen politikfeldübergreifend gestaltet. Zu berücksichtigen sind unter anderem folgende Handlungsfelder:
•Gesundheitsförderung
•Kinder- und Jugendhilfe,
•Erziehung, Bildung und Schule
•Ausbildung, Arbeits- und Berufsleben
•Wohnen
•Stadtentwicklung
•Verkehr und individuelle Mobilität
•Soziale Unterstützung und Dienstleistungen(Gesundheit und Pflege)
•Kultur, Freizeit, Sport
•Politische Teilhabe und Mitwirkung
•Barrierefreie Kommunikation, Information und Service
4. Darüber hinaus erfordert ein inklusives Gemeinwesen auch eine entsprechende Sensibilisierung der kommunalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch der Bevölkerung, um eine „inklusive Gesellschaft im Kreis Unna“ nicht nur den Grundstrukturen nach, sondern auch im alltäglichen Leben umsetzen zu können. Hierzu wird die Verwaltung beauftragt, durch entsprechende betriebliche Fortbildungen und über kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Inklusion zu informieren.
5. Der Zeitrahmen für die Umsetzung des Aktionsplans und damit die vollständige Realisierung eines inklusiven Gemeinwesens durch die Verwaltung im Kreis Unna soll zunächst zehn Jahre betragen. Der Erreichungsgrad der mittelfristigen Ziele soll jährlich überprüft werden. Über das Fortkommen bei der Realisierung der Ziele und der Umsetzung der geeigneten Maßnahmen ist der politischen Vertretung wie auch der Öffentlichkeit jährlich Bericht zu erstatten.
6. Um ein effektives und effizientes Vorgehen bei der Realisierung eines inklusiven Gemeinwesens zu gewährleisten, wird die Verwaltung beauftragt zu prüfen, wie die vorhandenen Kompetenzen dezernats- und ämterübergreifend zusammengeführt werden können, um die internen Planungs- und Entscheidungsprozesse zum Thema Inklusion kontinuierlich zu begleiten und anzustoßen.
7. Die Verwaltung prüft die Einrichtung einer „Fachstelle für Inklusion“ und wird beauftragt, einen geeigneten Organisationsvorschlag zu erarbeiten. Die Fachstelle könnte z.B. folgende Aufgaben erfüllen
•Anlaufstelle für alle das Thema Inklusion betreffenden Fragen sein
•Schulen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, soziale Einrichtungen bei der Konzeptentwicklung unterstützen und bei der Umsetzung fachlich begleiten
•Eltern bei der Schulwahl, bei Freizeitangeboten der Kinder- und Jugendhilfe etc. und der besten Förderung ihrer Kinder beraten
•Eltern, Schulen, Kindergärten und die Öffentlichkeit im Rahmen einer Informationskampagne über die qualitativen Vorteile des Gemeinsamen Unterrichts für alle Kinder aktiv und gezielt informieren
•Informationen zum selbständigen und unterstützten Wohnen geben
•Vernetzung und Kooperationen der unterschiedlichen Arbeitsfelder bzw. Träger und Gruppen gewährleisten etc
8. Die Verwaltung wird beauftragt
a) mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) insbesondere in den Bereichen Wohnen, Kinder- und Jugendhilfe, Schulen (Förderschulen), soziale Rehabilitation, berufliche Ausbildung und Integration sowie Barrierefreiheit von öffentlichen Gebäuden und Kommunikation eine abgestimmte Sozial-, Wohn- und Stadtplanung bezüglich Menschen mit Behinderungen (Menschen mit besonderen Bedürfnissen und Unterstützungsbedarf) vorzunehmen und diese kontinuierlich fortzuschreiben;
b) ein Verfahren zu entwickeln, bei dem die „Kommission zur Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen“, freie Träger und Initiativen an der Erstellung des Aktionsplans und dessen Weiterentwicklung kontinuierlich beteiligt werden;
c) in einem weiteren Schritt auch mit den kreisangehörigen Kommunen ein gemeinsames Handlungskonzept „Inklusion“ zu erstellen.
Begründung
I.
Am 13.12.2006 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Diese Konvention basiert auf den zentralen Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen und konkretisiert die dort verankerten Menschenrechte für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen. Ziel des Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen zu fördern sowie Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu schützen. Am 26. März 2009 ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie ihr Fakultativprotokoll für Deutschland in Kraft getreten. Das bedeutet, dass sie für die Bundesrepublik völkerrechtlich verbindlich ist. Die Inhalte der Konvention und des
Zusatzprotokolls sind durch innerstaatliche Gesetzgebung und andere geeignete Maßnahmen umzusetzen.
Menschen mit Behinderungen kommt damit ein Rechtsanspruch auf inklusiven Umgang und eine volle gesellschaftliche Teilhabe zu. Auch für die Menschen im Kreis Unna soll dieser neu gewonnene Rechtsanspruch spürbare Realität werden. Die Kreisverwaltung hat ihre Aktivitäten deshalb dahingehend zu prüfen, wie diese zur Realisierung der Anforderungen der UN-Konvention beitragen bzw. fokussiert ihre Anstrengungen in allen Arbeitsbereichen auf das Ziel der Gestaltung inklusiver Lebensverhältnisse. Entsprechend dem „disability mainstreaming“ soll die Behinderungsthematik zu einem festen Bestandteil der einschlägigen Strategien der nachhaltigen Entwicklung in den Kommunen werden (UNBehindertenrechtskonvention, Präambel)
I.
Der Grundgedanke der sozialen Inklusion ist die volle und wirksame Teilhabe und Einbeziehung aller Menschen. Im Unterschied zu der Bedeutung des Begriffs Integration geht es dabei nicht nur darum, innerhalb der bestehenden Strukturen Raum für Menschen mit Behinderungen zu schaffen, sondern gesellschaftliche Strukturen so zu gestalten und zu verändern, dass sie der Vielfalt der menschlichen Lebenslagen von vornherein besser gerecht werden.
Dabei geht es auch um ein umfassendes Verständnis von Barrierefreiheit. Barrieren sind nicht ausschließlich baulicher Natur, Barrierefreiheit bedeutet Nutzbarkeit für alle Menschen mit und ohne Behinderung, unabhängig von der Art und Ausprägung ihrer Beeinträchtigung. Dazu gehören z.B. die verständliche Gestaltung und die Zugänglichkeit von Informationen.
Mit einer umfassenden Barrierefreiheit soll die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der gestalteten Lebensbereiche für alle Menschen (Design for all) ermöglicht werden. Öffentliche Gebäude können so zu wirklichen Lebens-, Lern- und Bildungsorten werden. Barrierefreiheit erhöht auch den Nutzungsgrad dieser Gebäude. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass sich öffentliche Gebäude zu Stadtteil- bzw. Quartierzentren weiterentwickeln lassen und attraktiv für alle Menschen im Wohnquartier werden.
III.
Die Umsetzung ist als längerfristiger gesamtgesellschaftlicher Lern- und Gestaltungsprozess zu verstehen. Für die erfolgreiche Bewältigung dieser komplexen Aufgabe ist eine Zusammenarbeit aller relevanten Dezernate und Ämter unabdingbar. Denn erst durch den intensiven Austausch und die dezernatsübergreifende Zusammenarbeit werden die Entwicklungspotentiale
identifiziert, die hinsichtlich der vollen Verwirklichung der in der UN-Konvention konkretisierten Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen vorhanden sind.
IV.
Das Ziel, die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und damit auch die Verankerung der Inklusion in der öffentlichen Daseinsvorsorge und in der gemeinsamen Planung, im öffentlichen Leben in den Kommunen und im Zusammenleben der Menschen erfordert, dass das Thema Inklusion eine Querschnittsaufgabe in der kommunalen Verwaltung und Politik wird. Darüber hinaus ist auch eine Abstimmung und gemeinsame Sozialplanung zwischen dem Kreis Unna, den kreisangehörigen Kommunen und dem LWL notwendig. Die Wohnungspolitik, die Ausrichtung der öffentlichen Daseinsvorsorge und die Ausgestaltung der Wohnquartiere und Sozialräume obliegen insbesondere der kommunalen Politik. Die Landschaftsverbände sind für die Gewährung sozialer Leistungen Angebote gerade in Bezug auf das Wohnen und die Teilhabe zuständig. Im Sinne eines Inklusiven Gemeinwesens müssen deshalb ein gemeinsamer Planungsprozess und eine gemeinsame Sozialplanung bezüglich der
Menschen mit Behinderungen erfolgen. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung gibt es zahlreiche Möglichkeiten der Gestaltung,
die auch in kommunalen Planungen und Satzungen ihren Niederschlag finden. In den vergangenen Jahren hat der Kreis Unna bereits wichtige Impulse für einen bewussteren Umgang mit den Interessen von Menschen mit Behinderungen (Menschen mit besonderen Bedürfnissen und Unterstützungsbedarf) geliefert. So leisten die Behindertenbeauftragten in den Kommunen des Kreises wichtige Beiträge für die Realisierung eines inklusiven Gemeinwesens.
Um die große Herausforderung der Inklusion effektiv zu meistern, ist es wichtig,
diese vorhandenen Kräfte auch weiterhin zu nutzen und noch stärker als bisher in den Gestaltungsprozess einzubeziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Goldmann
Fraktionsvorsitzender
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ANMERKUNG
Dieser Antrag wurde im vergangenen Kreistag mit Änderungen bzgl. der zeitlichen Abfolge verabschiedet. Zunächst wird die Verwaltung eine Bestandsaufnahme über Planungen und bereits realisierte Maßnahmen vorlegen. Anschließend werden diese in den Fachausschüssen diskutiert und im Rahmen des zu verabschiedenden Aktionsplans im Sommer des nächsten Jahres eingeleitet.