Gruene Kreistag Unna

H a u s h a l t s r e d e 2 0 1 1

|   Pressemitteilung

In einem scheinen sich ja alle Beteiligten durchweg einig zu sein - nämlich, dass sich die Kommunen mal wieder in der schwersten Haushaltskrise seit Jahrzehnten befinden....

 

Herr Landrat,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

In einem scheinen sich ja alle Beteiligten durchweg einig zu sein - nämlich, dass sich die Kommunen mal wieder in der schwersten Haushaltskrise seit Jahrzehnten befinden.

Der Trend der letzten Jahre setzt sich somit ungebrochen fort.

Aber es ist natürlich Fakt: viele Kommunen verarmen; und - liebe Kolleginnen und Kollegen , dessen müssen wir uns klar sein, wenn die Kommunen handlungsunfähig werden, bedroht das unsere Demokratie an der Basis.

Wo nur noch Schulden angehäuft und öffentliche Einrichtungen geschlossen werden, wo Bürgermeister zu Insolvenzverwaltern werden, keimt nicht die Demokratie, sondern der Verdruss an der Politik, an der Demokratie selbst und am Gemeinwesen an sich.

So sind die Steuereinnahmen der Kommunen in 2009 um elf Prozent eingebrochen.

Der deutsche Städtetag erwartet dieses Jahr allein eine Verdoppelung des kommunalen Defizites auf fast 15 Milliarden Euro.

Kommunale Handlungsspielräume sind - und da stimme ich mit meinen beiden Vorrednern/In überein -  kaum noch erkennbar und somit  sind auch die Forderungen nahezu deckungsgleich unter dem Stichwort “Aktionsplan Kommunalfinanzen”, in dem Glauben, die Kommunen wieder handlungsfähig zu machen.

Neu sind alle diese Forderungen nicht - von der höheren und gerechteren Beteiligung des Bundes für die Leistungen für Unterkunft und Heizung im Bereich des SGB II, dem Erhalt der Gewerbesteuer, der Ausweitung des Solidarpaktes auf strukturschwache Regionen vor Ort, die Einhaltung des Konnexitätsprinzipes und und und.

Die Hilflosigkeit einiger Kommunen gipfelt in den Überlegungen zur Erschließung neuer Einnahmequellen wie “Bettensteuern”, Kulturtaxen sowie für den Polizeieinsatz bei Blechschäden im Straßenverkehr künftig eine Gebühr zu verlangen.

Den meisten Kommunen droht der finanzielle Zusammenbruch nicht irgendwann, sondern jetzt.

Was wir jedoch nicht brauchen ist ein ruinöser Wettbewerb zwischen den Städten und ihrem Umland.

Aber meine Damen und Herren - um dies zu können, bedarf es m.E. einer ehrlich gemeinten  Verständigung auf den politischen Ebenen, notwendigerweise unter Einbeziehung der hier lebenden und arbeitenden Menschen.

Nur unter Einbindung der Menschen im Kreis Unna in ihren Beziehungsgeflechten von Familie, Sportvereinen, ehrenamtlichem Engagement, Kulturschaffende und anderen werden wir ermitteln können, wo wir stehen - und welche Wege wir zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles einschlagen können.

Spätestens seit “Stuttgart 21 “ wissen Planer, Politik und Verwaltung nur zu genau, dass ihnen zukünftig Projekte um die Ohren fliegen werden , wenn die Bürger nicht frühzeitig eingebunden werden.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Massenproteste, gespaltene Städte in Sachfragen - all dies wird zunehmen, wenn es nicht gelingt transparente Verfahren zu initiieren.

“Suchet der Stadt Bestes” - Verantwortung für das Gemeinwesen in der Krise - unter diesem Motto stand eine zweitägige Veranstaltung der Evangelischen Kirche von Westfalen im September diesen Jahres im Haus Villigst.

Ob der Aktualität und Wichtigkeit dieses Themas war die Veranstaltung - das läßt sich wohl zweifelsfrei behaupten - hochkarätig besetzt.

Ich nenne Ihnen einige Namen:  Alfred Buß, Frank Baranowski, Thomas Kubendorff, Norbert Römer, Hannelore Kraft und nicht zuletzt Dr. Erhard Eppler mit seinem beeindruckenden Hauptreferat “Schafft die Krise das Gemeinwesen - oder schaffen die Gemeinwesen die Krise?

Der Kreis Unna war leider - sieht man von den Grünen ab - durch Verwaltung und Politik nicht vertreten.

Dies meine ich nicht als Kritik - die steht mir an dieser Stelle auch nicht zu - , sondern als Erkenntnis aus der  Veranstaltung, wie wichtig es gewesen wäre - unter dem Eindruck des Gesagten und Gehörten - mit den verantwortlichen Kräften dieses Hauses einen Dialog zu beginnen, der mehr sein kann und mehr sein muss, als unter betriebswirtschaftlichen Gesichtpunkten eine Liste von Einnahme - und Ausgabepositionen abzuarbeiten.

Es geht vielmehr auch um Werte, um gesellschaftliche Verantwortung, um die Größe, in einer zweifelsfrei schwierigen Phase, nicht den leichten, sondern den Weg zu suchen, an dessen Ende der Erhalt des liebens- und lebenswerten Kreis Unna und dieser Region stehen sollte.

 

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Es fällt manchmal schwer sich der Aura des Augenblicks - oder hier einer Veranstaltung zu entziehen, geschweige sie zu beschreiben.

Vieles was gesagt wurde, war noch nicht einmal neu - und doch war es anders.

So etwas wie Würde und Gelassenheit trug diese Veranstaltung.

Warum erzähle ich Ihnen das?

Weil mich die Sorge umtreibt, dass die Politik im Kreis Unna genauso weiterläuft wie bisher.

Die Entscheidungsvorbereitung der Verwaltung zur Neuorganisation der ARGE, der Umgang mit dem grünen Inklusionsantrag, die Veränderungen beim Sozialticket - um nur einige Beispiele zu nennen.

Viele von Ihnen mögen ja denken, wir machen hier einen guten Job.

Aber ist das wirklich so?

Ich spreche die beiden großen Fraktionen mal direkt an?

Auf welchen kommunalen Handlungsfeldern - oder bei welchen Grundsatzfragen und -diskussionen haben Sie - oder  wir, wenn Ihnen das besser gefällt - nachhaltige Weichen im Gesamtkontext unserer Aufgabenverpflichtung für den Kreis Unna gestellt?

Wir arbeiten uns doch viel zu viel am Tagesgeschäft und am Abnicken der Verwaltungsvorlagen ab.

Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass sich hier etwas Wesentliches verändert, auch im Dialog der politischen Kräfte untereinander.

Zur Verwaltung:

Vieles hat mir in den vergangenen Monaten nicht gefallen;  einiges doch - und entgegen meiner sonstigen Gepflogenheiten,  möchte ich heute mal an dieser Stelle hauptsächlich dass Positive ansprechen:

Ich habe Teile der Verwaltung in 2010 als ausgesprochen engagiert erlebt.

Und ich möchte mit einem ehrlichen Lob an Dr. Timpe beginnen - auf welchen Baustellen er sich und seine Mannschaft - Umbau Berufskollegs, Opherdicke, Gästehaus Ökostation z.T. zeitgleich bewegt hat, verdient schon hohe Anerkennung.

 

Aber dieses Lob gilt auch für  andere Fachbereiche - und Herr Sparbrod, selbst wenn die Grünen ob der Vorbereitung zur Entscheidungsfindung der Neuorganisation SGB II deutliche Kritik geäußert haben, so ist uns natürlich nicht verborgen geblieben, mit welchem Einsatz und mit welchem guten Ergebnis Sie mit der BA verhandelt haben.

Herr Hahn - es war wahrlich eine schwere Geburt, bis dass die Suchthilfe im Kreis Unna abschließend auf den Weg gebracht werden konnte. Und es hat  auch handwerkliche Fehler gegeben.

Ich finde jedoch,  das Ergebnis kann sich sehen lassen und deswegen möchte ich mich bei Ihnen im Namen der grünen Fraktion an dieser Stelle auch ausdrücklich bedanken.

Danke auch von dieser Stelle an Herrn Dr. Schiebold für eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit und Unterstützung in der ihm eigenen besonderen Art, die ich  vermissen werde.

Blick nach vorne auf die Haushaltsberatung:

Landrat und Fachverwaltung (Herrn Stratmann und Herrn Appel mit seinem Team) haben den Kreistagsbeschluss, eine externe Begleitung zur Haushaltskonsolidierung einzubinden, ordnungsgemäß erfüllt.

Sowohl das Ausschreibungs- bzw. Auswahlverfahren, die Vorbereitung der Verfahrensprozesse als auch die Unterrichtung und Einbindung der Politik im Umfeld der Sitzungen der Finanzstrukturkommission sind transparent und nachvollziehbar verlaufen.

Dr. Heinz hat sich bislang als sachkompetenter, angenehmer Partner erwiesen.

Die vorgeschlagenen Alternativen zum Verfahrensablauf und  Herbeiführung von Ergebnissen möchte ich ausdrücklich loben.

Aber, und diese Feststellung sei an dieser Stelle erlaubt - all dies hätten wir im Schulterschluss mit der Verwaltung auch alleine hinbekommen.

Es liegt an der Politik und der Verwaltungsspitze vorzugeben und zu entwickeln,  wohin uns der Weg führt.

Bei beiden bin ich mir über das Selbstverständnis zur Umsetzung des Prozesses und der jeweiligen  Rolle jedoch nicht klar.

Von Ihnen Herr Landrat hätte ich mir gewünscht und auch erwartet - nicht als Chef dieser Verwaltung, sondern als politisches Oberhaupt dieses Gremiums, dass Sie Ihre fachlichen und strategischen  Positionen zu Beginn des Verfahrens  deutlich gemacht hätten, für was Sie stehen, für Ihre Positionen zu werben und Mehrheiten zu suchen, da wo es möglich ist.

Diese Aufgabe hat wohl nicht nur nach meinen Eindrücken  in erster Linie der Geschäftsführer der SPD-Fraktion wahrgenommen.

Sollten Sie auch in Zukunft die Auffassung vertreten, die Verwaltung habe ihre Schularbeiten gemacht und nun liege es ausschließlich an der Politik die Sach- und strategischen Entscheidungen zu treffen, ja, dann wird der hoffnungsvolle Versuch einer langfristig wirkenden Haushaltskonsolidierung letztlich zum Scheitern verurteilt sein, da bin ich mir ziemlich sicher.

 

Herr Landrat,

Ihnen kommt aufgrund Ihrer herausgehobenen Führungsposition eine besondere Verantwortung zu. Dazu gehört auch von Beginn an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem solchen Prozess einzubinden.

Wie einzelne Proteste gezeigt haben, gab und gibt es hier wohl noch einige Defizite.

Aber weil ich Sie - und ich spreche somit für die gesamte grüne Fraktion -  auf diesem Wege  intensiv unterstützen möchte, wird die grüne Kreistagsfraktion den Haushalt des Jahres 2011  mittragen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Grünen habe für heute einige Anträge eingebracht -  für einen behindertengerechten Aufzug im Gästehaus der Ökologiestation, für eine Anfinanzierung zur Sanierung des Teerölbecken in Unna-Massen, zur Aufstockung der finanziellen Zuwendungen für den Kinderschutzbund und für eine Rückkehr zu vernünftigen, akzeptabelen  Rahmenbedingungen für das Sozialticket.

Ich werbe um Ihre Unterstützung, wohlwissend, dass hiermit weitere finanzielle Belastungen verbunden sind.

Haushaltsberatungen, die zu Streichorgien verkümmern, wären un sind eine politische Bankrotterklärung dieses Kreistages.

Und liebe Kolleginnen und Kollegen,  - wir sind angetreten, um zu gestalten, nicht um die Lebensqualität des Kreises Unna zu ruinieren.

Und,  und das ist mir mit Blick auf die  anwesenden Gäste dieses Hauses zu den HH-Beratungen auch noch einmal wichtig hier anzusprechen, einem Kürzungsszenario insbesondere auf den kommunalen Handlungsfelder der Sozialpolitik, der Jugend- und Bildungspolitik, der Umwelt - und Kulturpolitik wird es mit den Grünen nicht geben.

Das Welttheater der Strasse in Schwerte, Opherdicke, das Umweltzentrum in Bergkamen- Heil, das gesamte ehrenamtliche Engagement,  Frauenforum, Kinderschutzbund, der Erhalt von GWA und VKU - beispielhaft benannt - all das sind für die Grünen Tabuthemen - in denen die Grünen nicht nur heute, sondern auch zukünftig zwar gesprächs - aber in der Substanz nicht verhandlungsbereit sind.

Einen Sozialstaat, der in NRW fast jedes vierte Kind in die Armut schickt, dürfen wir uns nicht leisten.

Sie wissen genau, wie ich das meine.

Wir brauchen ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Kinderarmut auch im Kreis Unna.

Und nicht nur das.

Herr Landrat - wenn Sie von einer notwendigen  Bildungsoffensive für den Kreis sprechen, haben Sie meine volle Unterstützung.

Aber dann müssen Sie und wir als Kreistag auch genügend Rückgrat haben und den Mut aufbringen, die dafür erforderlichen finanziellen Mittel einzustellen.

Jedem Jugendlichen die Chance auf einen Schulabschluss.

Eine Ausbildungsgarantie für jeden Schulabgänger.

Und wenn das einen hohen  Betrag kostet, dann müssen wir einfach mal bereit sein dieses Geld auch in die Hand zu nehmen - und sei es zunächst  im Rahmen von Modellversuchen.

Wenn nicht Herr Landrat - dann verkümmern nicht nur Ihre Forderungen zu leeren Worthülsen.

 

Solche Investitionen amortisieren sich.

 

Was sind denn die Alternativen?

 

Hartz IV?

 

Bislang habe ich noch keine überzeugenden Antworten gehört.

Ich habe vor Jahren an gleicher Stelle gesagt:

Politik hat auch was mit Mut zu tun.

Die Menschen im Kreis Unna erwarten, dass wir den aufbringen.

Vielen Dank, dass Sie mir Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben.