Gruene Kreistag Unna

Rede zum Kreishaushalt 2022

|   Pressemitteilung

Herbert Goldmann, 14.12.21

Fraktion GRÜNE im Kreistag des Kreises Unna

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Landrat Löhr, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Vertreter der Presse und liebe Gäste.

 

Erlauben Sie mir zu Beginn einige persönliche Worte zur aktuellen Diskussion zur Frage von Verdienstausfall zum allgemeinen und um die GRÜNEN im Kreis im Besonderen.

Ich habe in den vergangenen Jahren oft hier oben gestanden und mahnende Worte über den Verlust von Glaubwürdigkeit der Politik in der Öffentlichkeit angesprochen und an unsere gemeinsame Verantwortung appelliert, dieses hohe Gut nicht aufs Spiel zu setzen.

Heute stehe ich hier als langjähriges Mitglied des Kreistages um Sie um Entschuldigung zu bitten, dass Mitglieder meiner Partei Anlass zu einer offensichtlich berechtigten Kritik bieten.

Ansonsten wäre Aufklärung dringend geboten.

Bislang - leider nichts.

Der bereits angerichtete Schaden betrifft uns alle und das Ansehen der Politik im Kreis.
Ich hoffe, dass Sie meine Entschuldigung annehmen können.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Nach den Haushaltsberatungen zu Beginn dieses Jahres hat wohl keiner von uns damit gerechnet, dass trotz Impfungen und Tests unser tägliches Leben immer noch so stark von Corona geprägt sein würde; das Interesse hatte spürbar nachgelassen und die Inzidenzzahlen interessierten nur noch Wenige.

Mittlerweile sieht dies wieder völlig anders aus; Corona ist in der vierten Welle völlig außer Kontrolle.

Es gehört zu den Absurditäten der Politik in den vergangenen Monaten, dass zu einem Zeitpunkt extrem ansteigender Infektionszahlen die Ausrufung einer nationalen Pandemienotlage zurückgenommen wurde.

In langen Phasen hat die Politik hilflos und überfordert gewirkt- bis heute.

Der Kreis Unna ist nach einem schweren Verlauf zu Beginn der Pandemie mit einer weit überdurchschnittlichen Todesrate vergleichsweise trotz der aktuellen Zahlen gut davongekommen.

Aber was heißt schon gut; jede*r 15te im Kreis hat sich infiziert und alle, die einen Angehörigen, eine Freundin oder Nachbarin verloren haben, alle haben unendliches Leid erfahren müssen.

Angst und Unsicherheiten vor Kontakten und Berührungen haben viele geprägt, die psychischen Belastungen haben dramatisch zugelegt.

Aber auch: Solidarität und Unterstützung im Kreis waren enorm; die Beteiligten vor Ort in den Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Test- und Impfzentren haben und leisten weiterhin Unglaubliches; zu den positiven Momenten gehört für mich auch die hilfreiche tägliche Berichterstattung der lokalen Medien über aktuelle Zahlen, Impfangebote und Verhaltensweisen.

Zwei Ereignisse, die neben Corona eine bundesweite mediale Aufmerksamkeit auf den Kreis Unna gelenkt haben, betrafen die Geschehnisse um den Schlachthof in Selm und der Fa. Mecke in Werne.

Unfassbare, brutale Bilder im Umgang mit Tieren, offensichtliche Quälereien über Jahre hinweg, vom Veterinäramt nicht erkannt.

Ohne die SOKO Tierschutz aus München wohl bis heute nicht.

Die anschließende Öffentlichkeitsarbeit aus dem Hause war nicht immer vorbildlich; von notwendiger Transparenz unter der Vorgabe einer laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlung wenig erkennbar.

Keine Rolle spielte offensichtlich der Anspruch von Verbraucherinnen und Verbraucher an die Einhaltung von Standards bei der Erstellung und dem Vertrieb ordnungsgemäß erzeugter und gesunder Lebensmittel.

 Dieser Anspruch steht für mich noch über dem Informationsanspruch der Politik.

Wenn wir heute über notwendige Stellen zu entscheiden haben, über eine dringend notwendige Änderung in der Aufbau- und Ablauforganisation der Veterinärabteilung, so sind dies unverzichtbare Schritte; ersetzen aber nicht die Klärung der Frage „hätten die Geschehnisse vermieden werden können“.

Die politischen Fraktionen im Kreishaus haben sich in seltener Einmütigkeit mit diesem Thema befasst und versucht zu einer Verbesserung der zukünftigen Situation beizutragen.

Danke hierfür im Namen des Tierschutzes; auch das gehört zu unseren Aufgaben.

Das dritte Ereignis von besonderer Tragweite waren die Überschwemmungsereignisse im Juli d.J. Feuerwehren – berufliche und freiwillige Einheiten, THW, das Rote Kreuz und viele Ehrenamtliche mehr waren tagelang rund um die Uhr im Einsatz. Das kann man gar nicht oft genug würdigen. Der LR hat dies mit seiner Einladung ins Haus Opherdicke getan.

Es mutet schon „sonderbar“ an, dass alle diese besonderen Ereignisse in die Zuständigkeit eines Dezernenten fallen.

Ich weiß nicht, was Sie in Ihrem Leben alles falsch gemacht haben, womit Sie das verdient haben Herr Hasche?

Nicht ernst gemeint.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle, auch trotz meiner Kritik, die gehört dazu, heute ganz besonders danken; das waren und sind ja weiterhin für Ihr Team und für die Verwaltung bestimmt keine einfachen Zeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

dass die Haushaltsberatungen 2022 unter dem Anspruch an einen Klimahaushalt stehen würden, war bekannt und frühzeitig angekündigt – hatte doch eine breite politische Mehrheit bereits zu Beginn des Julis 2019 in unterschiedlichen Anträgen die Notwendigkeit eines integrierten Klimaanpassungs- und Klimaschutzkonzeptes für den Kreis im Zusammenwirken mit dem kreisangehörigen Kommunen beschlossen - und wie sagte doch der KD am 16.September im Rahmen einer Sitzung aller Kreiskämmerer aus Westfalen zu Recht: „Klimaschutz ist das Thema unserer Zeit“.

Nun – 2 ½ Jahre später – warten wir immer noch; der Zeitplan sieht die Vorlage eines Klimaschutzkonzeptes für den April/Mai des kommenden Jahres vor.

Unter Haushalts- und ökologischen Gesichtspunkten verlieren wir – falls wir heute keine Akzente setzen - mindestens ein weiteres Jahr, das wir mit Blick allein auf die angesprochenen Überschwemmungsereignisse in Teilen des Kreises nicht haben.

Wir GRÜNE im Kreistag verkennen nicht, dass es Fortschritte beim Radverkehrskonzept, bei der energetischen Sanierung der Kreisgebäude und an anderer Stelle gegeben hat, aber das reicht uns nicht aus. Heute ist Handeln angesagt.

Unser ehemaliger Bundespräsident Richard von Weizsäcker sprach mal zutreffend von dem Problem der Politik „die Gegenwart zu verherrlichen und die Zukunft zu vernachlässigen“.

Der KT kann heute zukunftsweisende Weichen für nachfolgende Generationen stellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Der Kreis steht vor weiteren schwierigen konzeptionellen und strategischen Entscheidungen intern beim Gesundheitsdienst, dem Katastrophenschutz, der Veterinärabteilung, aber auch bei allen Kreisgesellschaften.

Ohne die Beteiligung in einer Wasserstoffallianz werden wir das Thema „grüner Wasserstoff“ in der Produktion und im Einsatz nicht lösen können. Auch hier drängt die Zeit. Den ersten Schritt haben wir heute getan.

Herr Pufke; ich teile Ihre Ausführungen und ihre Kritik am LR hierzu nicht; eine 2/7-Beteiligung ist allemal besser als nichts und wir machen den Aktendeckel zu.

Als eine von nur 5 Gebietskörperschaften ist der Kreis vordringlicher Part und Partner im sog. 5-Punkte-Programm. Die ersten Projekte sind auf den Weg gebracht; erfüllen jedoch nach Informationen aus der Bezirksregierung noch alle nicht die Fördervoraussetzungen.

Hier hat nicht nur die WFG noch eine Mammutaufgabe zu bewältigen; hoffentlich gelingt es die Knoten durchzuschlagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen;

Die demografische Entwicklungen für den Kreis sind prognostiziert, der hieraus ableitende Mangel an Facharbeitskräften in unterschiedlichen Branchen ist bekannt, Bildungsgerechtigkeit, zu viele Schulabgänger ohne Abschluss, Angebote für Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, zu wenig öffentlich geförderte Wohnungen nicht nur für Singles und Alleinerziehende, altengerechte Wohnung – die Probleme sind vielfältig und alle noch nicht gelöst – und die werden sich auch nicht von alleine lösen, wenn wir – und damit meine ich die ganze kommunale Familie u.a. - uns nicht darum kümmern.

Zum Haushalt:

zusammengefasst: solide, schlüssig und verständlich – hierfür vielen Dank an die Finanzverwaltung; an den KD und insbesondere an Herrn Adam.

Unsere Anträge – viele gemeinsam mit anderen Fraktionen liegen Ihnen vor; sollten Sie alle unterstützen.

Dass wir die Ziele im Rahmen der „Wirkungsorientierten Steuerung“ in 2021 nicht als Ganzes noch einmal diskutiert und fortgeschrieben haben, mag vielleicht den coronabedingten Einschränkungen geschuldet sein. Da gibt es Informationsdefizite und Nachholbedarf für Verwaltung und Politik.

Ohne den Sondereffekt mit den 20 Millionen aus der Ausgleichsrücklage sähe es für die kreisangehörigen Kommunen deutlich schlechter aus; diese Mittel stehen in den Folgejahren nicht zur Verfügung.

Wir werden uns daher alle auf schwerer werdende Zeiten einstellen müssen als zarter Hinweis auf die später zu diskutierenden Einzelanträge.

Die seit Jahren bestehende strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen wird wieder voll durchschlagen. Die jetzige NRW-Landesregierung hat eine vom Bund gewollte Altschuldenregelung vor die Wand gefahren; das wird sich noch stark rächen, wenn wir das Rad nicht zurückdrehen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Zustimmung der GRÜNEN im Kreistag zum Haushalt wird davon abhängen, ob Sie dem Antrag, den Haushalt im Vorgriff auf das Klimaschutzkonzept zu einem Klimahaushalt zu entwickeln, mittragen können.

Natürlich gäbe es zu den einzelnen Haushaltsansätzen viel zu sagen; dies würde aber wohl den gesetzten Zeitrahmen sprengen, nur noch ein weiteres Beispiel aus der Liste der politischen Absurditäten – da wird die Straßenverkehrsordnung geändert mit einer massiven Erhöhung der Geldbußen für Geschwindigkeitsüberschreitungen.

Die Verwaltung erwartet zwei Millionen mehr an Einnahmen aus Bußgeldern; mögen diese kommen; hoffentlich nicht in Teilen von mir.

Zu Recht, aber in der Frage der Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen ignoriert die neue Bundesregierung alle Sicherheitsaspekte; das möge – außer den Regierungen in Burundi und Nordkorea - verstehen wer will.

 Ich danke Ihnen liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie mir aufmerksam zugehört haben und für das kollegiale Miteinander im laufenden Jahr, bei der Verwaltung und den Geschäftsführern und Mitarbeiterinnen der Kreisgesellschaft für die vertrauliche Zusammenarbeit in manchmal auch schwierigen Zeiten und ich wünsche Ihnen allen und Ihrer Familie viel Gesundheit und trotz aller Einschränkungen ein harmonisches Weihnachtsfest.

 

 

Herbert Goldmann